Bei welchen Erkrankungen helfen CAR-T-Zelltherapien?

CAR-T-Zellen drängen Blutkrebs zurück, enttäuschen bislang aber bei soliden Tumoren. Erste Tests am Menschen laufen auch bei HIV-Infektionen und Autoimmunerkrankungen.

Anwendungen von CAR-T-Zellen

CAR-T-Zelltherapien helfen bislang vor allem bei Blutkrebs

Ein künstliches Molekül – der chimeric antigen receptor oder CAR – verleiht dem Immunsystem zusätzliche Schlagkraft. Diese CAR-T-Zelltherapien sind sehr wirksam bei Krebserkrankungen, die das Blutsystem betreffen1. Bei vielen anderen Erkrankungen befinden sie sich jedoch noch in der Entwicklungsphase2.

1.  Zugelassene Therapien

Sechs CAR-T-Zelltherapien sind bislang in der Europäischen Union zugelassen. Sie richten sich ausschließlich gegen Leukämien, Lymphome und Myelome.

  • Abecma gegen das Multiple Myelom.
  • Breyanzi, u.a. gegen diffuse großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL).
  • Carvykti gegen das Multiple Myelom.
  • Kymriah, u.a. gegen akute lymphatische Leukämie (ALL).
  • Tecartus, u.a. gegen akute lymphatische Leukämie (ALL).
  • Yescarta, u.a. gegen diffuse großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL).

2.  Studien am Menschen

2.1.  Krebserkrankungen des festen Gewebes (solide Tumore)

Die Behandlung von Krebs in festen Geweben wie Brust, Lunge oder Darm fällt deutlich schwerer als die Therapie von Blutkrebs. Dennoch versuchen Forscher in zahlreichen Studien, CAR-T-Zelltherapien gegen diese soliden Tumoren zu entwickeln. Zu den Zielen gehören Tumore in Gehirn, Prostata, Magen, Bauchspeicheldrüse und Gallengang.

Trotz einzelner Lichtblicke verliefen diese Studien aber bisher meist enttäuschend: Oft sprach nur ein Teil der Behandelten auf die Therapie an, die Wirkung war fast immer nur von kurzer Dauer. Es sind vor allem vier grundlegende Probleme, die die Entwicklung so schwierig machen3:

  • Es gibt kaum Krebsmarker auf soliden Tumoren, an denen CAR-T-Zellen angreifen können.
  • CAR-T-Zellen vermehren sich oft nur schlecht, wenn sie gegen solide Tumore gerichtet sind.
  • CAR-T-Zellen können nur schwer in solide Tumore eindringen.
  • Solide Tumore und ihre Umgebung senden Signale aus, die die Aktivierung von CAR-T-Zellen hemmen.

2.2.  HIV-Infektion

Bereits Ende der 1990er Jahre testeten Forscher den Einsatz von CAR-T-Zellen bei AIDS-Patienten: Die Therapie sollte das HI-Virus aus seinen letzten Verstecken vertreiben und die Betroffenen endgültig heilen. Der Angriff auf das sogenannte HIV-Reservoir blieb jedoch erfolglos.

Seitdem haben Wissenschaftler viel Mühe darauf verwendet, das CAR-Molekül besser auf den Kampf gegen das Virus einzustellen. Im Jahr 2022 startete in den USA der nächste Versuch: Bis zu 18 Menschen mit AIDS erhalten eine CAR-T-Zelltherapie, die HIV-infizierte Immunzellen erkennen und beseitigen soll4. In Tierversuchen hat sich dieser Ansatz bereits als wirksam erwiesen. Wann erste Zwischenergebnisse veröffentlicht werden, ist noch unklar.

2.3.  Autoimmunreaktionen

Manchmal ist das Immunsystem fehlgeleitet: Es verwechselt körpereigene Substanzen (Antigene) mit gefährlichen Eindringlingen und startet einen Angriff auf das eigene Gewebe. Der Angriff geht von einer kleinen Zahl Immunzellen aus, die diese Antigene erkennen und die Autoimmunreaktion auslösen.

Bei einigen Autoimmunerkrankungen spielen B-Lymphozyten eine wichtige Rolle. Hier bietet sich der Einsatz von CAR-T-Zellen an, die gezielt gegen diese Immunzellen vorgehen. Erste Tests verliefen bereits erfolgreich: Bei fünf Menschen mit systemischen Lupus erythematodes5 konnten die Symptome zumindest kurzfristig zurückgedrängt werden. Weitere Studien beschäftigen sich mit der Myasthenia gravis, dem Antisynthetase-Syndrom6 und den Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen.

3.  Erste Tests an Tieren

Jede Therapie wird zuerst an Tieren getestet. Die Versuche befinden sich dann in einem sehr frühen Stadium: Ob es jemals zu Tests am Menschen oder zur Zulassung einer Therapie kommen wird, ist ungewiss.

3.1.  Herzkrankheiten

Herzschwäche geht häufig mit einer Versteifung des Gewebes einher: Bindegewebszellen lagern sich in den Herzmuskel ein und bilden eine Art von Narbengewebe. Bei Mäusen gelang es, dieses Narbengewebe mit Hilfe von CAR-T-Zellen zu verringern und die Herzfunktion zu verbessern7.

3.2.  Eosinophiles Asthma

Eosinophile Granulozyten sind Immunzellen, die eine Entzündungsreaktion hervorrufen können. Sie sind auch an einer schweren Form von Asthma beteiligt, die oft nicht wirksam zu behandeln ist. CAR-T-Zellen können in Mäusen diese Immunzellen beseitigen und einen lang anhaltenden Schutz vor asthmatischen Anfällen erzeugen8.

3.3.  Seneszente Zellen

Seneszenz ist ein Alterungsprozess, bei dem Zellen ihre normalen Funktionen verlieren. Sie sterben jedoch nicht ab, sondern setzen entzündliche Faktoren frei, die bei vielen chronischen Erkrankungen eine Rolle spielen könnten. Bei Mäusen konnten CAR-T-Zellen bestimmte seneszente Zellen beseitigen und das Lebergewebe vor Schäden schützen9.

3.4.  Aspergillose

Einzellige Schimmelpilze aus der Gattung Aspergillus sind für den Menschen in der Regel ungefährlich. Ist das Immunsystem jedoch stark geschwächt, können sich die Pilze in der Lunge ansiedeln und die gefährliche Aspergillose auslösen. Deutschen Forschern ist es gelungen, CAR-T-Zellen gegen den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus herzustellen. Diese Zellen konnten das Überleben von befallenen Mäusen verbessern10.

3.5.  Graft-versus-Host-Reaktion

Die Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) ist eine schwere Komplikation, die bei der Transplantation von Knochenmark auftreten kann. Immunzellen des Spenders richten sich gegen den Körper des Empfängers und lösen schwere Immunreaktionen aus. CAR-T-Zellen konnten Mäuse vor GvHD schützen, ohne die sonstigen Immunfunktionen der Tiere spürbar zu beeinträchtigen11.

Teil 1/3: CAR – Rezeptor aus dem Baukasten
Teil 2/3: Bei welchen Erkrankungen helfen CAR-T-Zelltherapien?
Teil 3/3: CAR-T-Zellen haben schwere Nebenwirkungen
1 Labanieh und Mackall, CAR immune cells: design principles, resistance and the next generation, Nature, Februar 2023 (Link)
2 Baker et al., CAR T therapy beyond cancer: the evolution of a living drug, Nature, Juli 2023 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Wagner et al., CAR T Cell Therapy for Solid Tumors: Bright Future or Dark Reality?, Molecular Therapy, November 2020 (Link)
4 L. Connolly, Clinical trial begins using CAR T cells to potentially cure HIV, Pressemitteilung UC Davis Health, April 2023 (Link)
5 Mackensen et al., Anti-CD19 CAR T cell therapy for refractory systemic lupus erythematosus, Nature Medicine, November 2022 (Link)
6 Deutsches Ärzteblatt, Antisynthetase-Syndrom: CAR-T-Zellen erneut bei lebensgefährlicher Autoimmunerkrankung erfolgreich, März 2023 (Link)
7 Rurik et al., CAR T cells produced in vivo to treat cardiac injury, Science, Januar 2022 (Link)
8 Chen et al., Treatment of allergic eosinophilic asthma through engineered IL-5-anchored chimeric antigen receptor T cells, Cell Discovery, August 2022 (Link)
9 Amor et al., Senolytic CAR T cells reverse senescence-associated pathologies, Nature, Juni 2020 (Link)
10 Seif et al., CAR T cells targeting Aspergillus fumigatus are effective at treating invasive pulmonary aspergillosis in preclinical models, Science Translational Medicine, September 20 (Link)
11 Mo et al., Engineering T cells to suppress acute GVHD and leukemia relapse after allogeneic hematopoietic stem cell transplantation, Blood, Monat März 2023 (Link)

Anwendungen von CAR-T-Zellen

CAR-T-Zelltherapien helfen bislang vor allem bei Blutkrebs
Vier Anwendungen für CAR-T-Zellen sind bislang zugelassen, weitere sind in der Entwicklung.

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Kurz und knapp

  • CAR-T-Zelltherapien sind bislang nur für Lymphome, Leukämien und Myelome zugelassen
  • erste menschliche Studien testen CAR-T-Zelltherapien gegen solide Tumore
  • Studien testen auch einen Einsatz bei HIV-Infektionen
  • erste Erfolge gibt es bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen
  • in Tierversuchen werden auch Ansätze gegen Herzschwäche, Asthma und andere Erkrankungen getestet
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