Die synthetische Zelle - erste künstliche Lebensform?
Die Eltern ein Computer - mit diesen Worten präsentierten Forscher einen Organismus, dessen Erbgut im Labor entstand. Die synthetische DNA konnte eine Bakterien-Art in eine andere verwandeln. Aber ist das schon künstliches Leben?
Mycoplasma mycoides ist ein unscheinbares Bakterium mit einem kleinen Genom: Optimale Voraussetzungen, um Pate des vorgeblich ersten synthetischen Organismus zu werden. J. Craig Venter - Wissenschaftler, Unternehmer und schillernde Persönlichkeit - hatte keine Mühen gescheut, um das Bakterien-Genom nachzubauen und es in die Hülle eines anderen Bakteriums einzuschleusen1. Das manipulierte Bakterium (vormals von der Art M. capricolum) wechselte daraufhin seine Identität und wurde ebenfalls zu M. mycoides.
Getreue Kopie eines Genoms
Was einfach klingt, war schwere Arbeit: 20 Wissenschaftler - darunter ein Nobelpreisträger - arbeiteten mehr als zehn Jahre und verbrauchten dabei 40 Millionen US-Dollar. Mit Synthese-Maschinen wurden 1000 DNA-Fragmente erzeugt, die jeweils 1080 Nukleinbasen umfassten - zusammen eine (fast) exakte Kopie des Genoms von M. mycoides. Hefezellen setzten die Fragmente schrittweise zu größeren Molekülen zusammen, bis am Ende das vollständige Bakterien-Genom fertig war. Eine technische Meisterleistung, das ist unbestritten.
Aber ist es bereits künstliches Leben? Zwei Argumente sollen diese These stützen: Zum einen wurde die DNA-Sequenz elektronisch verarbeitet - daher auch die Behauptung Venters, dass die Eltern ein Computer waren. Und das Genom wurde nicht ganz exakt kopiert: Es wurden codierte Namen, Sinnsprüche und eine E-Mail-Adresse eingefügt. Das Erbgut war damit nicht mehr natürlich, sondern von Menschenhand verändert. Für Venter Gründe genug, um von künstlichem Leben zu sprechen.
Zweifel der Experten
Viele Experten haben da allerdings eine andere Meinung2. Sie weisen darauf hin, dass das synthetische Genom zu 99 % eine getreue Kopie des Erbguts von M. mycoides ist - etwas relevant Neues können sie daran nicht entdecken. Und zum anderen brauchte Venter immer noch die Hülle eines anderen Bakteriums, mit allen seinen Proteinen, Fetten und Zuckerstrukturen. Synthetisches Leben - für viele Forscher ist diese Bezeichnung zu hoch gegriffen.
Venter wird es verschmerzen können, denn seine eigentlichen Interessen sind wohl kommerzieller Art. Die synthetischen Zelle war nur ein Schritt auf dem Weg zum Minimalorganismus - und diese Tat ist ihm dann sechs Jahre später gelungen. Dieses Lebewesen soll für manche Ansätze der synthetischen Biologie unverzichtbar werden, und dann über Lizenzen und Patente viel Geld einspielen.
Ist der "synthetische Organismus" schon künstliches Leben? Letztlich muss jeder selbst entscheiden, welche Argumente er für überzeugender hält. Philosophische Betrachtungen sind wohl auch nicht entscheidend bei einem Projekt, in dem es nicht zuletzt um die Kontrolle eines milliardenschweren Marktes geht.
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Kurz und knapp
- Forscher um J. Craig Venter erzeugten ein synthetisches Genom, mit dem sie ein Bakterium in ein anderes verwandelten
- für Venter handelt es sich dabei um künstliches Leben, andere Experten sind da gegenteiliger Meinung
- das synthetische Genom hat den Weg zum Minimalorganismus ermöglicht, eine wichtige Voraussetzung für manche Ansätze der synthetischen Biologie