Stammzellforschung in Deutschland: iPS-Zellen als Chance?

80 Millionen Euro sollen Deutschland einen Spitzenplatz in der Stammzellforschung sichern. iPS-Zellen sollen es richten. Quasi als zweite Chance - denn bei embryonalen Stammzellen hinkt Deutschland der Konkurrenz hinterher.

Schon der Anfang war wenig verheißungsvoll: Im Jahr 2000 beantragte der Bonner Forscher Oliver Brüstle öffentliche Gelder für seine Forschung mit embryonalen Stammzellen - und löste damit die Stammzelldebatte aus. Das Vorhaben kollidierte mit dem Embryonenschutzgesetz, und vor allem die katholische Kirche reagierte empört.

Stammzelltherapie wird akzeptier

Die Mehrheit der Deutschen akzeptiert die embryonale Stammzellentherapie
Im April 2012 wurden 1066 Deutsche nach ihrer Meinung zur embryonalen Stammzellentherapie befragt. (Quelle: YouGov)

Erst nach langen Diskussionen erlaubte der Bundestag im Jahr 2002 die Einfuhr und Erforschung von embryonalen Stammzell-Linien. Die Einfuhr blieb jedoch auf ältere, weniger brauchbare Linien beschränkt (2008 wurde der Stichtag noch einmal verschoben), und die Herstellung eigener Linien blieb deutschen Wissenschaftlern gänzlich verwehrt.

Embryonale Zellen nicht mehr attraktiv?

Diese Umstände schienen viele Forscher abzuschrecken. Nur 134 Anträge auf Einfuhr von embryonalen Stamm­zellen wurden seit 2002 genehmigt1,4, gerade einmal 15 bis 20 Forschungslabore in Deutschland gelten als international konkurrenzfähig2. Auch die Gelder sind beschränkt: Während das Forschungs­ministerium die adulte Stammzell­forschung mit 28 Millionen Euro förderte, fielen für embryonale Zellen nur 1,5 Millionen Euro ab. Ähnlich die Deutsche Forschungs­gemeinschaft, die 65 Millionen Euro für die Stammzell­forschung ausgab, aber nur etwa 3 % davon für Projekte mit humanen embryonalen Zellen (jeweils im Zeitraum 2000-2007).

Selbst dieser begrenzte Enthusiasmus scheint bereits abzukühlen. Anfangs stürzte man sich auf die Entwicklung von Herz-, Leber- und Gehirn-Zellen aus den embryonalen Vorläufern, in der Hoffnung auf eine mögliche Anwendung beim Menschen. Doch in den letzten Jahren rückt der Vergleich mit anderen Stammzell-Arten - oftmals iPS-Zellen - in den Vordergrund4. Embryonale Zellen allein scheinen für einen Forschungsantrag nicht mehr attraktiv genug.

Zur allgemeinen Verunsicherung trägt auch ein Gerichts­verfahren bei, das die Patentierbarkeit von embryonalen Stammzellen festlegen soll. 1999 erhielt Oliver Brüstle ein Patent auf die Herstellung von Gehirn-Zellen aus embryonalen Vorläufern, doch nach Klage von Greenpeace zog das Patentamt seine Entscheidung zurück. Der streitbare Forscher - mittlerweile auch Geschäftsführer einer Stammzell-Firma - wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und zog bis vor den europäischen Gerichtshof. Die Entscheidung fiel eindeutig aus5: Menschliche embryonale Stammzellen sind in Europa grundsätzlich nicht patentierbar.

Münster als Zentrum

iPS-Zellen bereiten da weitaus weniger Probleme. Sie weisen ein ähnliches Entwicklungs-Potential wie embryonale Zellen auf, ihre Herstellung wird von niemanden als unethisch empfunden, und man ist vor allem nicht auf einen Import aus dem Ausland angewiesen. Auch die Politik scheint glücklich zu sein, von dem leidigen Thema der embryonalen Zellen ablenken zu können.

Stolz präsentierten sich im April 2010 NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Bundesministerin Annette Schavan der Presse, um mit dem Stammzellforscher Hans Schöler den Aufbau eines Referenzzentrums für iPS-Zellen zu verkünden. 80 Millionen Euro wurden bereitgestellt, um am Standort Münster die Technologie voranzutreiben und möglichst bis zur Marktreife zu entwickeln6.

Der Standort war nicht zufällig gewählt. Hans Schöler, seit 2004 Direktor am Max-Planck-Institut in Münster, hat dort eine international renommierte Abteilung für die iPS-Forschung aufgebaut. Seine Mitarbeiter versuchen unter anderem, mit iPS-Zellen die zellbiologischen Grundlagen von Erbkrankheiten zu verstehen.

Das soll auch die Ausrichtung des neuen Referenzzentrums sein: Letztlich geht es um die Entwicklung neuer Medikamente. Die iPS-Zellen eignen sich auch als Labor-Modell für Krankheiten, eine große Zahl von Substanzen kann an ihnen getestet werden und so die Identifizierung neuer Wirkstoffe ermöglichen. Damit stände man schon mit einem Bein im lukrativen Arzneimittelmarkt.

Therapie steht im Hintergrund

Mit der Anwendung von iPS-Zellen direkt am Menschen, zur Therapie von bislang unheilbaren Krankheiten, will man sich nicht befassen. Die Erfolgsaussichten sind zu ungewiss, und die Probleme womöglich noch größer als bei embryonalen Zellen. Die regenerative Medizin hat sich als ein sehr schwieriges Feld erwiesen.

Dies spürt auch das Feld der adulten Stammzellforschung. Viele Arbeitsgruppen versuchen, neue Therapien mit adulten Stamm­zellen zu etablieren, besonders bei Herzkrankheiten ist man da sehr aktiv. Doch die Fortschritte bleiben gering, ein nennens­werter Durchbruch wurde noch nicht erzielt. Großen Ruhm wird man auf diesem Gebiet nur schwer erlangen können.

iPS-Zellen bieten also die beste Chance für die deutsche Stammzellforschung, auch international mithalten zu können. Hans Schöler hat vollmundig angekündigt, dass das neue iPS-Institut Augenhöhe mit den renommierten Forschungs­zentren in den USA und Japan erlangen kann6. Doch die Konkurrenz ist gut finanziert und bestens eingespielt, während in Deutschland die Struktur und Netzwerke erst noch etabliert werden müssen. Der Weg zu internationalem Ruhm wird lang und steinig werden

Teil 1/3: iPS-Zellen - Stammzellen aus dem Labor
Teil 2/3: Ethische Probleme mit iPS-Zellen
Teil 3/3: Forschung in Deutschland - iPS-Zellen als Chance?
1 Tätigkeitsbericht der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung, Bundesgesundheitsblatt 2011, vol. 54, pp. 760-6 (link)
2 Hans Schöler im Focus, vom 25.04.2012 Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Stammzellforschung (link)
4 Stammzellregister des RKI, Stand Juni 2018 (link)
5 Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 112/11, den 18. Oktober 2011 (link)
6 Neues Referenzzentrum für Stammzellforschung für Münster, Pressemitteilung des MPI für Biomedizin, 16.04.2010 (link)

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