Nabelschnurblut: Eigenbedarf oder Fremdspende?

Blutstammzellen für die Transplantation können vom Patienten selber oder von fremden Spendern stammen - abhängig davon, welche Krankheit behandelt wird. Nabelschnurblut wird dabei meist als Fremdspende eingesetzt.

Krankheiten mit eigenen Stammzellen behandeln - von dieser Hoffnung leben private Anbieter, bei denen Eltern Nabelschnurblut für den Eigenbedarf einlagern können. Die Hoffnung erscheint nicht unbegründet: In der knappen Mehrzahl aller Transplantationen stammen die Blutstammzellen aus Eigenspenden. Betrachtet man jedoch nur das Nabelschnurblut, sind Fremdspenden eindeutig in der Überzahl1.

Stammzelltransplantationen 2012

Quelle: Passweg et al., 2018

Was ist anders beim Nabelschnurblut? Die Art der behandelten Krankheiten. Für die Behandlung macht es einen großen Unterschied, ob das Blut vom Patienten selber oder von einem anderen Spender stammt. Eigene (oder autologe) und fremde (oder allogene) Spenden kommen daher bei jeweils anderen Krankheiten zum Einsatz. Und Nabelschnurblut wird fast ausschließlich dann verwendet, wenn Fremdspenden vorteilhafter sind.

Eigenblut (autologe Spenden)

Dabei verursacht Eigenblut meist weniger Komplikationen. Die transplantierten Stammzellen werden nicht vom eigenen Immunsystem abgestoßen - eine häufige Ursache für den Fehlschlag einer Transplantation ist damit beseitigt. Es ist auch ausgeschlossen, dass unentdeckte Krankheitserreger - die manchmal in Fremdspenden lauern - den Patienten gefährden.

Eigenspenden sind daher das Mittel der Wahl, wenn Blutstammzellen die Folgen einer Chemotherapie oder Bestrahlung lindern sollen. Das ist häufig der Fall, wenn Tumore in Körperorganen mit diesen rabiaten Mitteln bekämpft wurden. Auch bei Lymphomen und Myelomen, die in erster Linie von Immunzellen in Lymphdrüsen ausgehen, kommen oft autologe Spenden zum Einsatz. Allerdings stammen die transplantierten Stammzellen in der Regel aus dem Knochenmark oder dem Blut - da diese Krebsarten zumeist Erwachsene treffen, steht eigenes Nabelschnurblut auch selten zur Verfügung.

Bei Blutkrebs jedoch ist Eigenblut zumeist keine Hilfe. Blutkrebs (auch Leukämie genannt) befällt die Stammzellen des Knochenmarks, und die Krebszellen können nicht vollständig von den gesunden Stammzellen abgetrennt werden. Knochenmark und Blut des Krebspatienten eignen sich somit nicht mehr für die Transplantation, Fremdspenden sind zwingend notwendig.

Fremdspenden (allogene Spenden)

Etwas ähnliches gilt für Nabelschnurblut: Veränderte Zellen, die Vorläufer von Krebs sein können, entstehen teils schon vor der Geburt. Bei vielen Formen der Leukämie zirkulieren diese Vorläuferzellen auch im Nabelschnurblut2. Eine Eigenspende wäre für leukämiekranke Kinder mit Risiken behaftet - die Gefahr einer Neuerkrankung ist zu hoch.

Bei Blutkrebs spricht noch ein zweiter Grund für allogene Spenden: Körperfremde Blutstammzellen bilden ein neues Immunsystem, das bei der Bekämpfung der Leukämie tatkräftig mithilft. Die neuen Immunzellen erkennen und attackieren Krebszellen, welche die Chemotherapie oder Bestrahlung überlebt haben. Autologe Blutstammzellen können dies nicht: Sie stellen nur das eigene Immunsystem wieder her, welches bereits zuvor den Krebs nicht wirksam bekämpfen konnte.

Erbkrankheiten können ebenfalls mit Stammzelltransplantationen behandelt werden. Aber auch hier sind meist Fremdspenden erforderlich, da das Erbgut dieser Zellen frei von den schädlichen Mutationen ist. Alle Körperzellen des Patienten tragen jedoch den gleichen Gendefekt - dieser müsste erst durch eine Gentherapie behoben werden. In der Regel sind daher Eigenspenden für die Therapie von Erbkrankheiten nutzlos.

Eltern, die Nabelschnurblut privat einlagern, wollen damit ihr Kind vor Krankheiten schützen. Doch bei kleineren Kindern werden Stammzelltransplantationen meist aus zwei Gründen durchgeführt - Blutkrebs oder Erbkrankheiten. In beiden Fällen sind Eigenspenden nur selten hilfreich. Nach dem heutigen Stand der Medizin macht die private Einlagerung von Nabelschnurblut daher nur wenig Sinn.

1 Passweg et al., Is the use of unrelated donor transplantation leveling off in Europe? The 2016 European Society for Blood and Marrow Transplant activity survey report, Bone Marrow Transplantation 2018 (link)
2 M. Greaves, Pre-natal origins of childhood leukemia, Rev. Clin. Exp. Hematol. (2003), vol. 7, pp. 233-45 (link)

Stammzelltransplantationen 2012

In Klammern die Zahl der Patienten in Europa im Jahr 2016. (Quelle: Passweg et al., 2018)

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Kurz und knapp

  • insgesamt werden mehr Transplantationen mit Eigenblut als mit Fremdspenden durchgeführt
  • Eigenblut wird für die Behandlung von soliden Tumoren, Lymphomen und Myelomen eingesetzt
  • Fremdspenden kommen bevorzugt bei Blutkrebs und Erbkrankheiten zum Einsatz
  • Nabelschnurblut wird meist als Fremdspende genutzt
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