März 2020
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.
Klinische Studien
Dreifacher CRISPR-Eingriff für die Krebstherapie
Science
Drei Krebspatienten erhielten körpereigene Immunzellen, die mehrfach mit der Genschere CRISPR/Cas9 und einem lentiviralen Vektor manipuliert wurden. Dabei wurde der Checkpoint PD-1 ausgeschaltet und ein natürlicher Immunrezeptor eingeschleust, der Myelome, Sarkome, Melanome und weitere Krebsarten aufspürt. Die manipulierten Zellen überlebten bis zu neun Monate im menschlichen Körper, schwere Nebenwirkungen blieben aus. Forscher um Carl June von der Universität Pennsylvania veröffentlichten die Ergebnisse im Science Magazine.
Allerdings war bei keinem Patienten eine Besserung festzustellen, zudem lässt die geringe Zahl von drei Teilnehmern keine endgültigen Aussagen über die Sicherheit zu. Es war auch nicht der erste Test von CRISPR/Cas9 beim Menschen. Dennoch nahmen Krebsexperten die Studie sehr positiv aus: Erstmals veröffentlichte eine angesehene wissenschaftliche Zeitschrift belastbare Daten, die das medizinische Potenzial von CRISPR/Cas9 bestätigen.
Tunnelblick bei erblicher Netzhautveränderung gelindert
Nature Medicine
Eine Gentherapie konnte bei sechs von 18 Patienten mit Retinitis Pigmentosa den Verfall der Netzhaut stoppen und das eingeengte Gesichtsfeld wieder etwas vergrößern. Bei der Phase-I-Studie wurden sechs unterschiedliche Dosen eines adenoviralen Vektors unter die Netzhaut injiziert, um einen erblichen Defekt in dem Gen RPGR auszugleichen. Die Wirkung auf das Gesichtsfeld hielt mindestens sechs Monate bis zum Ende des Beobachtungszeitraums an.
Die erwachsenen Patienten litten an einer Form der Retinitis pigmentosa, die über das X-Chromosom vererbt wird und fast nur bei Männer auftritt. Sie führt zu einer Verengung des Sichtfeld (Tunnelblick) und mündet in einer schleichenden Erblindung. Die einzige Nebenwirkung der Gentherapie war eine milde Entzündungsreaktion der Netzhaut bei höheren Dosen. Zwei gut wirksame Dosen sollen nun bei bis zu 45 weiteren Patienten getestet werden.
CAR ohne T: NK-Zellen als Alternative
Ärzteblatt
Ein CAR braucht nicht unbedingt T-Zellen: Der künstliche Rezeptor rüstet auch andere Immunzellen, NK-Zellen genannt, für den Kampf gegen Blutkrebs. In Texas testeten Ärzte diese CAR-NK-Zellen an bislang elf Patienten mit schwer behandelbaren Lymphomen und Leukämien. Bei acht Patienten ging der Krebs zurück, sieben davon erreichten eine vollständige Remission. Die Beobachtungszeit betrug bis zu 20 Monaten. Schwere Nebenwirkungen wie Zytokinsturm, Neurotoxizität oder die Graft-versus-Host-Reaktion blieben aus.
Die CAR-NK-Zellen stammten nicht von den Patienten selber, sondern aus gespendetem Nabelschnurblut. Ein retroviraler Vektor schleuste drei zusätzliche Gene ein: einen CAR gegen den Krebsmarker CD19, den Botenstoff IL-15 und Caspase 9 als Aus-Schalter für den Notfall. Die CAR-NK-Zellen könnten auf Vorrat produziert und damit wesentlich kostengünstiger und schneller eingesetzt werden. Die Studie soll insgesamt 36 Teilnehmern umfassen und im Juni 2022 abgeschlossen sein.
Forschung
Mit Genscheren und Organoiden gegen Mukoviszidose
Cell Stem Cell
Die Umwandlung einzelner DNA-Buchstaben kann genetische Defekte beheben, die zu den Ursachen der Erbkrankheit Mukoviszidose (Cystische Fibrose) zählen. Bei dieser schweren Erkrankung sammelt sich zäher Schleim in Lunge, Darm und anderen Organen. Niederländische Forscher testeten den neuen Therapieansatz an Organoiden - kleine Zellhaufen, die das Verhalten eines vollständigen Organs abbilden. In Organoiden aus dem Darmgewebe von vier Mukoviszidose-Patienten konnte eine Variante der Genschere CRISPR/Cas9 die normale Zellfunktion wieder herstellen.
Die verwendete Variante von CRISPR/Cas9 schneidet nicht den DNA-Strang, sondern wandelt das DNA-Basenpaar A-T in die Version G-C um. Dieses Base Editing kann die Gefahr gefährlicher Mutationen verringern, wie auch diese Studie bestätigt: Bei zwei untersuchten Organoiden fanden sich keine Hinweise auf unerwünschte Veränderungen im Erbgut. Vor einem Einsatz beim Menschen müssen jedoch erst Methoden entwickelt werden, um CRISPR/Cas9 in die vielen betroffenen Organe einzuschleusen.
Industrie
2019 - ein erfolgreiches Jahr
Alliance for Regenerative Medicine
Im Jahr 2019 ist das Feld der Gentherapie ein gutes Stück voran gekommen, wie die folgenden Zahlen belegen:
- 352 laufende Studien mit Gentherapien gab es weltweit, davon 32 in der fortgeschrittenen Phase III
- 109 dieser Studien fanden auch in Europa statt
- 31 Studien weltweit testeten den Einsatz von CRISPR/Cas9 und anderen Genscheren
- 2 neue Gentherapien kamen auf den Markt: Zynteglo und Zolgensma
- 7,6 Milliarden US-Dollar standen zur Finanzierung bereit, der zweithöchste Betrag in der Geschichte
Diese und andere Statistiken finden sich im Jahresbericht der Alliance for Regenerative Medicine, einem internationaler Verband von Firmen, Stiftungen und akademischen Einrichtungen.
Medienspiegel
Hunde vor dem Altern bewahren
Endpoint News
Die US-Firma Rejuvenate Bio will Hunden helfen, ein längeres und gesünderes Leben zu führen. Man könnte dies als Unfug abtun, wenn da nicht einer der Mitgründer wäre: George Church, einer der innovativsten und einflussreichsten Köpfe der Genomforschung. Und immer offen für ausgefallene Ideen.
Wie Natalie Grover in Endpoint News berichtet, steht das Vorhaben wissenschaftlich auf soliden Füßen. Es fokussiert sich auf die drei Gene FGF21, αKlotho und sTGFßR2, die bereits Mäusen zu einem längere Leben verholfen haben. Die erste Studie ist bereits in Vorbereitung: Zehn Cavalier King Charles Spaniels sollen vor den Folgen einer Herzkrankheit bewahrt werden. Und natürlich gibt es langfristig immer die Option, die Therapie auf den Menschen auszuweiten.