November 2025
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Erster Erfolg bei Morbus Huntington

Deutsches Ärzteblatt

Eine Gentherapie kann den Verlust geistiger und motorischer Fähigkeiten bei der Erbkrankheit Morbus Huntington verringern. Erste Daten von 12 behandelten Personen zeigen, dass die Krankheit nach drei Jahren um etwa 75 Prozent langsamer voranschritt als in vergleichbaren Fällen. Die Nebenwirkungen des Eingriffs blieben mild. Dies gab die niederländische Firma uniQure im September bekannt.

Bei Morbus Huntington löst eine Mutation im Huntingtin-Gen einen fortschreitenden Verfall vieler Gehirnfunktionen aus. Die Gentherapie schleust eine AAV-Genfähre gezielt in eine bestimmte Gehirnregion ein. Dies führt zur Bildung von hemmenden RNA-Molekülen, die die Herstellung des Huntingtin-Proteins verhindern.

Bislang sind nur Teilergebnisse von zwei Studien bekannt, an denen insgesamt 57 Personen mit Morbus Huntington teilnehmen. Die Studien sollen im Jahr 2029 abgeschlossen sein. Zwar hatten die US-Behörden anfangs eine rasche Zulassung in Aussicht gestellt, doch nach einer abrupten Kehrtwende der neuen Leitung erscheint dies nun fraglich.

Körperfremde CAR-T-Zellen wirksam gegen Krebs

BioPharma Dive

Erstmals konnten CAR-T-Zellen von fremden Spendern hartnäckige B-Zell-Lymphome wirksam zurückdrängen. Die vielleicht entscheidende Neuerung: Wie bei einer Organtransplantation wurden Spenderzellen und Empfänger sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die Erfolgsquote scheint nun vergleichbar mit Therapien, die auf körpereigenen Zellen beruhen. Dies gab die US-Firma Caribou im November bekannt.

Die noch vorläufigen Daten stammen aus einer Studie mit 57 Teilnehmern. Die körperfremden CAR-T-Zellen zeigten bei 8 von 10 Behandelten eine Wirkung, bei 6 von 10 Behandelten ging der Krebs sogar vollständig zurück. Schwere Nebenwirkungen traten vergleichsweise selten auf. Die Behandlungsdauer betrug bislang im Mittel etwa 12 Monate.

Der Einsatz körperfremder Zellen könnte die Verbreitung von CAR-T-Zelltherapien weiter fördern. Die Behandlung ist dann einfacher, benötigt weniger Vorlaufzeit und ist kostengünstiger. Eine Folgestudie mit 250 Teilnehmern ist bereits in Planung.

CRISPR/Cas lindert Nervenschmerzen bei seltener Erbkrankheit

New England Journal of Medicine

Die Genschere CRISPR/Cas kann ein defektes Serumprotein blockieren und so den Verlauf der erblichen Transthyretin-Amyloidose (ATTRv) verlangsamen. Bei der Mehrheit der 36 Behandelten hatten sich die auftretenden Nervenschmerzen nicht verschlimmert, in manchen Fällen ließen sie sogar nach. Die Wirkung hielt bis zu drei Jahre an. Die Studie der US-Firma Intellia wurde im September im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Eine Form der ATTRv führt zu einer Polyneuropathie mit Taubheit, Schmerzen und Lähmungen in den Gliedmaßen. Ursache ist eine erbliche Mutation, die eine Fehlfaltung des Proteins Transthyretin verursacht. Die Therapie schleust CRISPR/Cas mit Lipidvesikeln in Leberzellen ein, um das Transthyretin-Gen auszuschalten. Die Teilnehmer dieser Studie vertrugen den Eingriff meist gut.

Intellia hat bereits eine Folgestudie mit 50 Teilnehmern und einer Kontrollgruppe gestartet. Eine weitere Studie soll die Therapie bei einer Form von ATTRv testen, die vor allem das Herz schädigt. Beide Studien pausieren jedoch derzeit aufgrund eines Todesfalls (siehe unten).

Todesfall bei CRISPR-Studie

Genetic Engineering & Biotechnology News

Die US-Firma Intellia musste im Oktober zwei Studien stoppen, weil ein Teilnehmer wenige Wochen nach der Behandlung schwere Leberschäden entwickelte. Die Studien testen eine CRISPR/Cas-Variante, die die Folgen der erblichen Transthyretin-Amyloidose (ATTR) lindern kann. Bei dem betroffenen Teilnehmer stiegen die Leberenzymwerte und der Bilirubingehalt um ein Vielfaches an. Der etwa 80-Jährige wurde in einer Klinik behandelt, verstarb jedoch Anfang November.

An den Studien sollen etwa 700 Personen mit ATTR teilnehmen, die entweder an einer Kardiomyopathie oder einer Polyneuropathie (siehe oben) leiden. Bei den bislang etwa 450 behandelten Teilnehmern traten zwei Fälle von schweren Leberschäden auf. Solange die Todesumstände nicht geklärt sind, wird Intellia keine neuen Teilnehmer mehr in die Studien einschließen.

Nach 5 Jahren: CAR-T-Zellen in 1 von 3 Fällen dauerhaft wirksam

Journal of Clinical Oncology

Im Jahr 2018 begann eine Studie, in der 97 Personen mit Multiplen Myelom die CAR-T-Zelltherapie Carvykti erhielten: Anfang 2025 waren 32 von ihnen noch am Leben und frei von jeglichen Anzeichen der Erkrankung. Die mittlere Überlebensrate aller Behandelten betrug rund 61 Monate. Es gab keine Hinweise auf spät einsetzende Nebenwirkungen. Dies veröffentlichten US-amerikanische Forscher im Journal of Clinical Oncology.

Alle Teilnehmer hatten vor der Behandlung mit Carvykti bereits mehrere erfolglose Vorbehandlungen hinter sich. Andere Therapien erzielen in diesen hartnäckigen Fällen eine Überlebenszeit von etwa einem Jahr. CAR-T-Zellen sind somit die wirksamste Therapie bei einem schwer behandelbaren Multiplen Myelom.

Zwei neuere Studien testen den Einsatz von Carvykti in früheren Krankheitsphasen, auch als Alternative zur bislang üblichen autologen Stammzelltransplantation. Die Studien sollen 2029 udn 2033 abgeschlossen sein.

Forschung

CRISPR/Cas gegen Gefäßerkrankung – ein mühsamer Weg

Genetic Engineering & Biotechnology News

US-Forscher haben zahlreiche CRISPR/Cas-Varianten in Mäusen getestet, um die seltene Erbkrankheit MSMDS zu behandeln. MSMDS schädigt die Blutgefäße und kann bereits bei Kleinkindern Schlaganfälle auslösen. Erste Versuche mit Menschen könnten 2027 starten. Die Studie erschien im September im Fachjournal Nature Biomedical Engineering.

Die Publikation zeichnet den mühsamen Weg nach. Konventionelle CRISPR/Cas-Varianten erwiesen sich als ungeeignet, da sie potenziell schädliche Veränderungen im Erbgut verursachten. Alternative Varianten waren anfangs nicht effizient genug und mussten durch gentechnische Eingriffe optimiert werden. Letztlich bildeten die Forscher sogar die Erkrankung in der Maus nach, um die Therapie unter möglichst realen Bedingungen zu testen.

Vorbereitungen für den ersten Test am Menschen haben bereits begonnen. Die Forscher hoffen zudem, dass ihre optimierte CRISPR/Cas-Variante auch bei anderen erblichen Gefäßerkrankungen eingesetzt werden kann.

Wirtschaft

Biogen verzichtet auf AAV-Genfähren

FierceBiotech

Die US-Firma Biogen hat im September angekündigt, alle Programme mit AAV-Genfähren endgültig einzustellen. Etwa 20 Mitarbeiter der dazugehörigen Entwicklungsabteilung haben die Kündigung erhalten. Biogen folgt damit dem Beispiel anderer großer Pharmafirmen wie Roche, Takeda and Vertex Pharmaceuticals.

AAV-Genfähren kommen bei erfolgreichen Gentherapien wie Zolgensma zum Einsatz. Doch sie haben auch schwere Nachteile: Ihre Herstellung ist teuer, eine wiederholte Anwendung nicht möglich und das Risiko von schweren Leberschäden sehr hoch. Biogen will sich zukünftig auf nicht näher genannte Zukunftstechnologien konzentrieren.

Neuer Name für bluebird bio

Biospace

Der neue Name ist auch der alte: bluebird bio wurde 1992 als „Genetix Biotherapeutics” gegründet, nun ziert der ursprüngliche Name wieder das Firmenschild. Die US-Firma will damit eine lange Phase mit erheblichen finanziellen Problemen abschließen. Anfang dieses Jahres hatten zwei private Investmentfirmen die Firma für etwa 50 Millionen US-Dollar übernommen. Damit kam auch eine neue Führungsebene und frisches Eigenkapital ins Unternehmen.

Der Namenswechsel soll zeigen, dass der Fokus wieder voll und ganz auf dem Kerngeschäft liegt – den Gentherapien Lyfgenia, Skysona und Zynteglo. Die Firma will den Zugang zu diesen Therapien erleichtern, die Kooperation mit Behandlungszentren verstärken und neue Produktionskapazitäten aufbauen. Zusätzlich soll eine große Studie den Weg dafür freimachen, Lyfgenia auch kleineren Kindern mit Sichelzellanämie anzubieten.

BioMarin will Roctavian abstoßen

BioPharma Dive

Die Gentherapie Roctavian lindert die Erbkrankheit Hämophilie A, bleibt kommerziell jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. In den letzten drei Jahren kamen kaum mehr als 50 Millionen US-Dollar zusammen. Im Oktober kündigte der Hersteller BioMarin daher an, Roctavian möglichst bald an eine andere Firma abzugeben.

Der Misserfolg hat mehrere Gründe: Die Behandlung ist aufwendig, die Kosten sind hoch und die langfristige Wirksamkeit ist noch nicht belegt. Andere Hämophilie-Gentherapien kämpfen mit ähnlichen Problemen. Der Umsatz von Hemgenix (CSL Behring) ist ebenfalls enttäuschend, Durveqtix wurde vom Hersteller Pfizer bereits wieder vom Markt genommen.

Roctavian war die erste Gentherapie gegen Hämophilie, die in der EU zugelassen wurde. Bis auf weiteres bleibt die Gentherapie in Deutschland, Italien und den USA erhältlich.

Zulassungen

Fanconi Anämie: Antrag auf Zulassung zurückgezogen

Fierce Biotech

Eine Gentherapie gegen die Fanconi-Anämie gerät auf das Abstellgleis: Die US-Firma Rocket Pharmaceuticals hat im Oktober ihren Zulassungsantrag in den USA zurückgenommen. Als Begründung gab die Firma an, sich in Zukunft stärker auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen konzentrieren zu wollen. In der EU erfolgte die Rücknahme bereits im Juli.

Die erbliche Fanconi-Anämie führt zu einem schweren Mangel an roten und weißen Blutzellen. Die Gentherapie von Rocket hatte sich in Studien als wirksam und sicher erwiesen. Die kommerziellen Aussichten sind jedoch unsicher: Weltweit gibt es nur sehr wenige Menschen, die an dieser Krankheit leiden. Falls die Firma einen geeigneten Partner findet, wäre ein erneuter Antrag auf Zulassung denkbar.

 
OK

Diese Webseite verwendet Cookies, die für das Bereitstellen der Seiten und ihrer Funktionen technisch notwendig sind.    Info