Mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark

Das Knochenmark war die erste Quelle für mesenchymale Stammzellen. In der Medizin könnten sie bei Herzschwäche, Leberversagen und der Graft-versus-Host-Reaktion helfen.

Mesenchymale Stammzellen (MSC) erneuern Knorpel, Knochen und Fettgewebe. Seitdem Forscher die Zellen vor über 40 Jahren im Knochenmark entdeckten, haben sie viel über die Fähigkeiten dieser wandelbaren Zellen gelernt. Heute testen Ärzte in über 600 klinischen Studien ihre Anwendung beim Menschen.

MSC aus dem Knochenmark

Mesenchymale Stammzellen werden für die Therapie von Leberschäden, Herzschwäche und Graft-versus-Host-Reaktion getestet

Noch heute wird das Knochenmark häufig als Quellen für MSC genutzt1. Die Ausbeute ist jedoch vergleichsweise gering, da MSC höchstens eine von 10 000 kernhaltigen Knochenmarkzellen stellen. Zudem ist die Entnahme von Knochenmark eine schmerzhafte Prozedur, die mit einem Krankenhausaufenthalt und dem Risiko einer gefährlichen Infektion verbunden ist.

In den letzten Jahren rückten daher zunehmend andere Quellen in den Vordergrund. MSC finden sich in fast jedem Organ, und vor allem im Fettgewebe und der Nabelschnur sind sie wesentlich leichter zugänglich und zum Teil auch deutlich zahlreicher. Austauschbar sind diese Quellen jedoch nicht unbedingt: Je nach Herkunft haben die Stammzellen unterschiedliche Eigenschaften und könnten sich für die Therapie anderer Erkrankungen eignen.

Hohe Sicherheit, unklare Wirkung

Unabhängig von der Quelle, aus der die Zellen gewonnen werden, haben die vielen klinischen Studien eines gezeigt: Eine Therapie mit MSC ist für den Patienten weitgehend risikofrei. Gefährliche Nebenwirkungen und langfristige Schäden sind kaum zu befürchten. Und auch das Auftreten von krebsartigen Wucherungen - eine grundsätzliche Gefahr beim Einsatz von körperfremden Stammzellen - wurde bislang noch nicht beobachtet.

Ein großes Fragezeichen stellt jedoch hinter ihrer Wirksamkeit. Trotz anfänglicher Hoffnungen erzeugen MSC im Körper der Patienten kein neues Gewebe, sondern stattdessen unterstützen die Selbstheilung der körpereigenen Organe. Forscher nennen dies den parakrinen Effekt - die Freisetzung von Botenstoffen, die das Immunsystem besänftigen und die Regeneration von geschädigten Geweben unterstützen.

Dennoch können MSC bei vielen Erkrankungen von Nutzen sein, wie Ärzte in hunderten Studien nachweisen wollen. Meist befinden sich diese Versuche noch im Anfangsstadium, mit Tierexperimenten oder kleinen, wenig aussagekräftigen Studien beim Menschen. Größere Fortschritte haben MSC aus dem Knochenmark jedoch bei drei Erkrankungen gemacht - Herzschwäche, Leberversagen und der Graft-versus-Host-Reaktion.

Herzschwäche - Erfolge bleiben bescheiden

Allein 3000 Patienten wurden mit Zellen aus dem Knochenmark behandelt, um die schweren Gewebeschäden nach einem Herzinfarkt zu lindern2. Oft wurden die Knochenmarkzellen fast ohne weitere Bearbeitung eingesetzt, so dass eine Mischung aus mehreren Stammzellen zum Einsatz kam: MSC, Blutstammzellen und Stammzellen für die Bildung von Gefäßen.

Der Erfolg blieb bislang bescheiden: Die Herzfunktion verbesserte sich nur in begrenztem Maße und die Wirkung hielt oft nicht lange an. Das endgültige Urteil steht allerdings noch aus, da viele Studien noch nicht beendet sind.

Leberschäden - zumindest kurzzeitige Linderung

Auch bei Leberschäden wissen Ärzte oft nicht weiter: Eine langjährige Infektion mit dem Virus Hepatitis B kann eine chronische Entzündung hervorrufen, die im Endstadium nur noch durch eine Transplantation heilbar ist. Zwei Studien haben untersucht, ob MSC aus dem Knochenmark den Verfall des Gewebes aufhalten können3.

Die erste Studie nutzte dazu körpereigene (autologe) MSC der Patienten, die auch anfangs zu einer leichten Verbesserung der Leberfunktion führten. Doch die Wirkung war nur in den ersten drei Wochen spürbar, nach vier Jahren ließen sich keine signifikanten Veränderungen mehr nachweisen.

Eine spätere Studie nutzte MSC, die aus dem Knochenmarkt von fremden Spendern stammten (allogene MSC). Hier zeigten sich in einem Zeitraum von einem halben Jahr deutlich Fortschritte - bessere Laborwerte, weniger Infektion und spürbar verbesserte Überlebensrate. Von einer allgemeinen Anwendung ist aber auch dieser Ansatz noch weit entfernt.

Graft-versus-Host-Reaktion - in drei Ländern zugelassen

Offiziell als Medikament zugelassen - zumindest in weltweit drei Ländern - ist hingegen die Therapie einer Komplikation, die häufig bei der Transplantation von Blutstammzellen auftritt. Bei der Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) attackieren die Immunzellen des Spenders das Gewebe des Empfängers, und nur für etwa die Hälfte der Betroffenen steht eine wirksame Therapie bereit.

Die Transplantation von allogenen MSC aus dem Knochenmark kann das Leben spürbar verlängern, besonders bei jungen Patienten4. Der Nutzen dieser Therapie (Prochymal oder TemCell genannt) ist aber noch nicht endgültig bewiesen, eine vorläufige Zulassung erfolgte nur in Kanada, Neuseeland und Japan.

Ärzte unternehmen große Anstrengungen, um den Einsatz der MSC in der Medizin voranzutreiben, doch die Entwicklung einer Therapie ist langwierig und kann viele Jahre dauern. Und erfahrungsgemäß wird nur ein Teil der Versuche am Ende erfolgreich sein. Der Weg der MSC in die Medizin ist daher noch mit vielen Fragezeichen versehen.

1 Berebichez-Fridman et al., Sources and Clinical Applications of Mesenchymal Stem Cells, Sultan Qaboos University Med J, Mai 2018 (Link)
2 R. Michler, The current status of stem cell therapy in ischemic heart disease, J. Card. Surg., 2018 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Wang et al., Progress in mesenchymal stem cell–based therapy for acute liver failure, Stem Cell Research & Therapy, August 2018 (Link)
4 Locatelli et al., Remestemcel-L for the treatment of graft versus host disease, Expert Review of Clinical Immunology, Juli 2016 (Link)

MSC aus dem Knochenmark

Mesenchymale Stammzellen werden für die Therapie von Leberschäden, Herzschwäche und Graft-versus-Host-Reaktion getestet
Das Knochenmark war die erste Quelle von mesenchymalen Stammzellen, die seitdem für viele Erkrankungen getestet wurden.

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Kurz und knapp

  • mesenchymale Stammzellen (MSC) wurden zuerst im Knochenmark entdeckt
  • das Knochenmark dient häufig als Quelle für MSC, aber die Ausbeute ist gering und die Entnahme schmerzhaft und mit Risiken behaftet
  • MSC haben beim Menschen kaum unerwünschte Nebenwirkungen, aber die Wirkung bleibt meist bescheiden
  • begrenzte Fortschritte wurden bei Herzschwäche und Leberschäden erzielt
  • in drei Ländern sind MSC für die Behandlung der Graft-versus-Host-Reaktion zugelassen
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