Stammzelltherapie als Geschäft – hohe Kosten, zweifelhafte Wirkung

Manche Stammzellkliniken versprechen die Heilung zahlreicher Erkrankungen – die Aussicht auf Erfolg ist jedoch meist gering. Die Kosten muss der Behandelte selbst tragen.

Private Kliniken bieten vielerlei Stammzelltherapien an – und lassen sich teuer dafür bezahlen.

Es gibt etablierte Stammzelltherapien, deren Wirkung eindeutig erwiesen ist: Knochenmarktransplantationen helfen bei Krebs und manchen Erbkrankheiten, spezialisierte Angebote wie Holoclar beseitigen Augenschäden.

Doch es gibt auch viele Stammzelltherapien, deren Nutzen mehr als zweifelhaft ist. Dubiose Kliniken betreiben mit ihnen ein lukratives Geschäft, das auf der Angst und Verzweiflung kranker Menschen beruht.

Hochburg der Stammzellklinken sind die USA

Anfangs waren zweifelhafte Stammzellkliniken meist in Asien zu finden, vor allem China spielte eine unrühmliche Rolle. Heute hat sich der Schwerpunkt in die USA verlagert: Im Jahr 2021 wurden dort 2754 Stammzellkliniken gezählt, fast viermal so viel wie fünf Jahre zuvor1.

Diese Kliniken bieten ihre Dienste meist über das Internet an. Wer online nach bestimmten Krankheiten sucht, stößt schnell auf die entsprechende Werbung. Besonders häufig werden Stammzelltherapien zur Schmerzlinderung und bei orthopädischen Problemen angeboten, aber auch neurologische, immunologische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen heilbar sein.

Der Behandelte trägt die Kosten selbst

Die Stammzellen dafür stammen meist aus dem eigenen Knochenmark, Blut oder Fettgewebe. Nicht weil diese Zellen besonders hilfreich wären, sondern weil sie schnell und relativ problemlos zu gewinnen sind. Manche Kliniken nutzen jedoch auch von Fremden gespendetes Gewebe, meist aus dem Nabelschnurblut oder dem Gewebe der Nabelschnur.

Die Werbung wendet sich direkt an den Patienten – er muss die Therapie ja auch aus eigener Tasche bezahlen. Und die Kosten sind erheblich: In den USA liegen sie meist zwischen 2500 und 20 000 US-Dollar, bezogen auf eine einzelne Behandlung2. Oft werden diese Behandlungen jedoch wiederholt, so dass die Kosten schnell weiter in die Höhe schießen. Anreise und Unterkunft sind dabei noch nicht eingerechnet.

Woran sind unseriöse Angebote zu erkennen?

Wie lassen sich seriöse und zweifelhafte Angebote unterscheiden? Das sicherste Verfahren ist immer noch, auf den Rat eines erfahrenen und unabhängigen Arztes zu vertrauen. Aber auch ein kurzer Blick auf den Online-Auftritt der Stammzellklinik kann aufschlussreich sein. Unseriöse Angebote weisen häufig folgende Merkmale auf3,4:

  • die angebliche Wirksamkeit wird nur durch Kommentare von Patienten belegt
  • es fehlt der Hinweis auf klinische Studien und wissenschaftliche Beweise
  • mehrere Krankheiten werden mit denselben Zellen behandelt
  • es ist nicht klar, woher die Zellen für die Behandlung stammen
  • es wird nicht erklärt, wie die Behandlung erfolgt
  • es wird behauptet, dass keine Risiken drohen

Wirkung nein, Nebenwirkung ja

Auch wenn unseriöse Anbieter häufig Heilung versprechen – konkrete Informationen über die Therapieerfolge fehlen meist. Stattdessen herrschen wohlklingende, aber inhaltsleere Formulierungen wie „Verbesserung des Wohlempfindens“ oder „erhöhte geistige Fähigkeiten“ vor.

Diese inhaltlichen Lücken haben ihren Grund: Kaum eine dieser Therapien hat Aussicht auf Erfolg. Die wenigen Stammzelltherapien, deren Wirksamkeit eindeutig bewiesen ist, werden in öffentlichen und etablierten Kliniken durchgeführt werden. Bei allen anderen Therapien handelt es sich bestenfalls um Experimente.

Die fehlende Wirksamkeit bedeutet jedoch nicht, dass auch unerwünschte Nebenwirkungen selten sind. Im Gegenteil: Die zweifelhaften Eingriffe können zahlreiche Komplikationen auslösen, bis hin zu bleibenden Behinderungen1,5. Mindestens vier Todesfälle sind bekannt.

Todesfall in Deutschland

In Deutschland ist heute die Gefahr eher klein, an eine dubiose Stammzellklinik zu geraten. Das war allerdings nicht immer so – das XCell-Center in Düsseldorf hat vor einigen Jahren viele Schlagzeilen verursacht6. Die private Klinik nutzte eine Gesetzeslücke und bot die Transplantation von körpereigenen Knochenmarkzellen an – trotz massiver Kritik von unabhängigen Experten.

Erst im Mai 2011 konnten die Behörden die Klinik schließen. Bis dahin kam es jedoch schon zu mindestens zwei tragischen Zwischenfällen: Zuerst durchlitt ein 10-jähriger Junge schwere Komplikationen, dann starb ein zweijähriger Junge nach dem Eingriff an Gehirnblutungen.

Fazit: Höchste Vorsicht ist geboten

Wer sich für eine Stammzelltherapie interessiert, sollte sich zuvor an eine vertrauenswürdigen Arzt wenden. Denn den Werbeangeboten der meisten Stammzellkliniken ist kaum zu trauen, deren Internetauftritte bieten kaum verlässliche Informationen. Die Risiken sind jedoch real: Wer bei dieser Art von Behandlung nur sein Geld verliert, darf sich noch glücklich schätzen.

Teil 1/2: Stammzelltherapie als Geschäft – hohe Kosten, zweifelhafte Wirkung
Teil 2/2: Krebs- und Todesfälle in dubiosen Stammzellkliniken
1 L. Turner, The American stem cell sell in 2021: U.S. businesses selling unlicensed and unproven stem cell interventions, Cell Stem Cell, November 2021, (Link)
2 P. Knoepfler, How much does stem cell therapy cost in 2022?, The Niche, 2022 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 International Society for Stem Cell Research (ISSCR), Patientenhandbuch zur Stammzelltherapie, Dezember 2008, (Link)
4 Stellungnahme des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW, 4.2.2010 (Link)
5 Julian et al., Complications from “Stem Cell Tourism” in Neurology, Annals of Neurology, Juli 2020 (Link)
6 N. Kuhrt, Es ist gut, dass dieses Kind gegangen ist, spiegel.de, August 2012 (Link)
Private Kliniken bieten vielerlei Stammzelltherapien an – und lassen sich teuer dafür bezahlen.

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