Adulte Stammzellen - fest verankert in der Medizin

Stammzell­therapien gehören zu den großen Erfolgen der Medizin. Doch nicht jede Krankheit lässt sich mit adulten Stammzellen behandeln.

Vor über 40 Jahren glückte dem Arzt E. D. Thomas die erste erfolgreiche Stammzelltherapie. Er heilte einen Patienten mit Blutkrebs, indem er ihm das Knochen­mark eines Verwandten transplantierte. Nach vielen vergeb­lichen Versuchen war dies der erste Patient, der diese damals noch hochgefährliche Prozedur überlebte. Es war ein unglaub­licher Erfolg für die Medizin, zu Recht 1990 mit dem Nobelpreis für Medizin belohnt.

Autologe und allogene Therapien

Drei Erfolgsgeschichten

Noch heute ist die Knochenmark-Transplantation ein schwer­wiegender Eingriff. Das erkrankte Knochenmark des Patienten muss vollständig zerstört werden, und einem gesunden Spender wird zugemutet, dass er bis zu einem Liter Knochenmark hergibt.

Doch wenn alles gut läuft, hören die trans­plantierten Knochenmark-Stammzellen erst auf zu wachsen, wenn das Blut- und Immunsystem des Patienten vollständig wieder hergestellt ist. Heutzutage finden mehr als 50 000 Transplantationen im Jahr statt, und die meisten davon retten ein Menschenleben.

Eine weitere Erfolgsgeschichte - auch schon mehr als 30 Jahre alt - sind die Stammzellen der Haut. Kleine Haut­biopsien reichen aus, um großflächige und schwere Verbrennungen am ganzen Körper zu behandeln. Denn Haut-Stammzellen sind ungewöhnlich robust, sie wachsen problem­los außerhalb des menschlichen Körpers. Eine Biopsie von einem Quadratzentimeter, weniger als ein Zehntel der Fläche einer Streichholzschachtel, kann die Haut von 10 000 Menschen erneuern1.

Seit 20 Jahren finden die Stammzellen aus der Nabel­schnur Verwendung. Auch wenn sie von Neugeborenen stammen - die Zellen des Nabelschnurbluts gehören zu den adulten Stammzellen. Sie fallen quasi als Abfall bei der Geburt an und vermehren sich dank ihrer "Jugend" besonders gut. Ähnlich wie Zellen aus dem Knochenmark werden sie für die Therapie von Blutkrebs eingesetzt: Gerade bei der Behandlung von Kindern sind sie kaum noch wegzudenken.

Wie geht es weiter?

Schaut man sich die Erfolge der Stammzelltherapie an, springt ein Umstand sofort ins Auge: Adulte Stammzell-Arten, die sich in der Medizin etabliert haben, stammen aus Quellen mit eher untypischen Eigenschaften. Knochen­mark, Haut und Blut sind - für ein menschliches Gewebe - sehr leicht zugänglich und können sich problemlos regenerieren. Und die Stammzellen vermehren sich außer­gewöhnlich gut, sei inner- oder außerhalb des Körpers.

In den letzten Jahren hat man nur noch in der Augen-Hornhaut Stammzellen gefunden, die sich für eine Therapie eignen (sie wenden bei Eintrübungen eine drohende Erblin­dung ab2,3). In allen anderen Organen ist die Lage schwieriger: Adulte Stammzellen sind eher selten, bei weitem nicht so wachstumsfreudig und tief in den Geweben versteckt.

Selbst wenn man die Stammzellen isolieren könnte - ihre Vermehrung im Labor ist schwierig und kann schwere Schäden am Erbgut verursachen4. Die notwendigen Prozeduren sind zusätzlich noch sehr zeit- und arbeitsintensiv, was die Kosten einer massen­haften Anwendung in unerschwingliche Höhen schießen ließe.

Vorteile der adulten Stammzellen

Dagegen steht der große Vorteil der adulte Stammzellen: Patienten können mit ihren eigenen Zellen behandelt werden. Eine unbeabsichtigte Übertragung von Krankheiten ist dadurch fast unmöglich. Die Entstehung von Krebs ist - im Gegensatz zu embryonalen und iPS-Zellen - weitgehend ausgeschlossen.

Und körpereigene Zellen werden nicht vom Immunsystem angegriffen. Von Organ-Transplantationen weiß man nur zu gut, wie groß dieses Problem ist. Die Therapie mit adulten Stammzellen könnte den Patienten eine lebenslange Behandlung mit Medikamenten ersparen.

Adulte Stammzellen sind fest in der Medizin verankert und werden auch in Zukunft unzählige Leben retten. Doch die Entwicklung neuer Therapien ist auf große Hürden gestoßen und hat den Fortschritt arg ins Stocken gebracht.

Gleichzeitig ist den adulten Stammzellen Konkurrenz erwachsen: Ihre pluripotenten Verwandten - embryonale und iPS-Zellen - punkten durch Wandlungsfähigkeit und Wachstums­freude. Das Rennen um die Zukunft der Medizin hat gerade erst begonnen.

1 Pellegrini et al., Human Embryonic Stem Cell-Derived Keratinocytes: How Close to Clinics?, Cell Stem Cell 2010, vol. 6, pp. 8-9 (link)
2 Rama et al., Limbal Stem-Cell Therapy and Long-Term Corneal Regeneration, N Engl J Med 2010, vol. 363, pp. 147-55 (link)
3 M. Engel, Stammzellen für die Augen, Deutschland­radio vom 21.9.2012 (link)
4 Ben-David et al., Large-Scale Analysis Reveals Acquisition of Lineage-Specific Chromosomal Aberrations in Human Adult Stem Cells, Cell Stem Cell 2011, vol. 9, pp. 97-102 (link)

Autologe und allogene Therapien

Adulte Stammzellen können vom Patienten selber (autologe Therapie) oder von anderen Spendern (allogene Therapie) stammen.

Definition: Adulte Stammzellen

Adulte Stammzellen regenerieren fast alle Gewebe eines Körpers, beginnend mit der Geburt. Sie können unter­schiedliche Zelltypen hervorbringen, sind dabei aber auf ein Gewebe festgelegt.

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Kurz und knapp

  • bislang etablierte Therapien mit adulten Stammzellen nutzen leicht zugängliche Quellen wie Knochenmark, Haut und Blut
  • die Mehrzahl der adulten Stammzellen lässt sich aber nur schwer gewinnen und schlecht vermehren
  • der große Vorteil von adulten Stammzellen: Patienten könnten mit körpereigenen Zellen behandelt werden
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