Oktober 2021
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

CRISPR/Cas9-Therapie für das Auge ist sicher

Endpoints

Die US-Firma Editas veröffentlichte erste Ergebnisse ihrer CRISPR/Cas9-Therapie: Eine Injektion in das Auge soll eine seltene Form der Erblindung heilen, die in Europa und den USA nur wenige tausend Menschen betrifft. Der Eingriff löste keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aus, konnte die Sehkraft nach sechs Monaten aber nicht wesentlich verbessern. Bislang wurden nur sechs erwachsene Patienten behandelt, die höchstens sechs Monate nachverfolgt wurden. Die vorläufigen Daten von sechs erwachsenen Patienten wurden im September auf einer Fachkonferenz vorgestellt.

Ursache der Erkrankung ist ein Defekt in dem Gen CEP290, der die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut schädigt. Editas entwickelte einen viralen Vektor, der die Genschere CRISPR/Cas9 in diese Zellen transportiert und den Gendefekt beheben soll. Bei vier der sechs behandelten Patienten war bislang keine Wirkung nachweisbar, nur einer berichtete von kleineren Verbesserungen im Alltag. Da aber schwere Nebenwirkungen ausblieben, kann die Studie mit höheren Dosen und einer Gruppe von Kindern fortgeführt werden.

Modifizierte NK-Zellen gegen Lymphome – nur kurzzeitig wirksam

BioPharma Dive

Die kalifornische Firma Fate Therapeutics präsentierte im August vorläufige Daten von zwei Krebsstudien mit modifizierten NK-Zellen, einer Gruppe von unspezifischen Immunzellen. In den Studien kamen unterschiedliche genetische Modifikationen zum Einsatz: Die NK-Zellen erhielten entweder einen Rezeptor für spezifische Antikörper oder zusätzlich einen CAR, ähnlich wie er in T-Zelltherapien Anwendung findet. Beide Ansätze konnten Krebszellen wirksam zurückdrängen, allerdings ließ die Wirkung bald nach.

Die genmodifizierten NK-Zellen entstehen aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) und sind daher schnell verfügbar. Etwa 30 Patienten mit schwer behandelbaren B-Zell-Lymphomen hatten die Therapien meist gut vertragen, bei höheren Dosen betrug die Ansprechrate beachtliche 40 bis 70 %. Die Wirkung hielt jedoch kaum länger als sechs Monate an – deutlich kürzer als bei den bereits etablierten CAR-T-Zelltherapien. Eine höhere Dosierung oder wiederholte Gabe der NK-Zellen könnte die Wirksamkeit in Zukunft verbessern.

CAR-T-Zellen und Prostatakrebs: Fortschritt trotz Todesfall

Fierce Biotech

Ein vermeidbarer Todesfall und eine vollständige Remission – erste Daten einer CAR-T-Zelltherapie gegen Prostatakrebs lassen alle Deutungen zu. Die US-Firma Poseida hob im August vor allem die positiven Aspekte hervor: Bei drei von neun Patienten gingen die PSA-Werte um mindestens 50 % zurück, bei einem war der Krebs mit bildgebenden Verfahren nicht mehr nachweisbar. Die Erfolgsquote ist damit höher als bei anderen CAR-T-Zelltherapien, die bei Tumoren in festen Geweben nur selten erfolgreich sind.

Alle Patienten litten unter Metastasen und hatten bereits mehrere Therapieversuche hinter sich. Sie erhielten körpereigene CAR-T-Zellen, die gegen den Krebsmarker PSMA gerichtet waren. Die CAR-T-Zellen lösten bei drei Patienten eine Entzündungsreaktion aus, die in einem Fall tödlich endete: Der Patient war nicht zu den vorgesehenen Kontrolluntersuchungen erschienen, seine Leber war bei der Diagnose bereits unrettbar geschädigt. Bei den anderen Patienten blieben die Nebenwirkungen moderat, die Firma will daher demnächst höhere Dosierungen testen.

Rückschlag für Kymriah – kein Vorteil als Zweitlinie

Evaluate

Die CAR-T-Zelltherapie Kymriah bietet keine Vorteile, wenn sie bei B-Zell-Lymphomen als zweite Therapielinie eingesetzt wird. Dies verkündete der Hersteller Novartis im August, ohne auf die genauen Studiendaten einzugehen. Wenige Wochen zuvor hatten ähnliche Studien gezeigt, dass konkurrierende CAR-T-Zelltherapien bei dieser Anwendung einen deutlichen Zusatznutzen aufweisen. Novartis hat damit schlechte Aussichten, die eher enttäuschenden Einnahmen von Kymriah signifikant zu erhöhen.

Wenn der erste Therapieversuch erfolglos bleibt, werden B-Zell-Lymphome in der Regel mit einer Kombination aus Chemotherapie und autologer Stammzelltransplantation behandelt. Im Vergleich dazu war Kymriah nicht in der Lage, das ereignisreiche Überleben zu verlängern. Allerdings erlaubte die Novartis-Studie – im Gegensatz zu den Konkurrenten – eine spezielle Immunchemotherapie als Zwischenbehandlung. Noch ist nicht ausgeschlossen, dass diese zusätzliche Option das Studienergebnis zu Ungunsten von Kymriah beeinflusst hat.

Forschung

Angepasster CAR für solide Tumore

Nature Cancer

Ein neue Anordnung der Signaleinheiten des chimeric antigen receptor (CAR) verbessert die Wirksamkeit gegen Krebs in festen Geweben: Forscher der Universität von North Carolina bündelten die Signale von zwei Hilfsmodulen in einer Haupteinheit. Das Resultat war den bisherigen CAR-Molekülen deutlich überlegen – in Mäusen konnten drei unterschiedliche solide Tumore wirksam und anhaltend bekämpft werden. Die Forscher veröffentlichten ihre Daten in der September-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Cancer.

Solide Tumore hemmen die Aktivierung und das Überleben von Immunzellen: Um wirksam zu sein, muss ein CAR beiden Herausforderungen begegnen. Er besteht meist aus dem zentralen Signalmodul CD3zeta sowie einem unterstützenden Modul, das entweder aus den Molekülen CD28 oder 4-1BB stammt. Die Forscher statteten eine T-Zelle mit zwei unterschiedlichen CARs aus – einer enthielt das Modul CD28, der andere 4-1BB. Aber nur einer der CARs enthielt die CD3zeta-Einheit und verrechnete beide Hilfssignale. Dies trug wesentlich zu einer ausgewogenen und wirksamen Reaktion bei.

Industrie

US-Behörde befasst sich mit Risiken

BioPharma Dive

Mit der Sicherheit von Gentherapien beschäftigte sich eine Experten-Anhörung, die die US-Arzneimittelbehörde FDA im September abhielt. Anlass waren schwere Nebenwirkungen, die bei einigen Gentherapie-Studien auftraten – darunter drei Todesfälle von Kindern. Das zweitägige Treffen endete mit eher allgemeinen Empfehlungen, die den Ablauf der Studien betreffen. Es wird als Warnzeichen an die Industrie interpretiert, hat aber vermutlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Entwicklung von Gentherapien.

Die meisten Gentherapien sind sicher, aber manche haben unerwartete Wirkungen. Dramatisch verlief eine Studie von Astellas Pharma, bei der kürzlich drei Kinder nach starken Leberschäden verstarben. Zuletzt traten auch Krebsfälle bei Studien der Firmen UniQure und Bluebird Bio auf, die aber wohl nicht durch die Therapie ausgelöst wurden. Um die Sicherheit zu verbessern, empfahlen die Berater der FDA drei Maßnahmen: längere Testphasen in Tieren, umfassendere Voruntersuchung der Studienteilnehmer und längere Nachverfolgung der behandelten Patienten.

Novartis kauft zweite Optogenetik-Firma

Fierce Biotech

Der Schweizer Konzern Novartis verstärkt sein Engagement bei Augenerkrankungen und kauft die Firma Arctos Medical, eine Ausgründung der Universität Bern. Arctos entwickelt eine optogenetische Therapie, die ein lichtempfindliches Molekül in die Netzhaut einschleust. Die Therapie wäre bei unterschiedlichen Krankheiten und Mutationen einsetzbar, selbst wenn die Netzhaut bereits schwer geschädigt ist. Novartis verkündete die Übernahme von Arctos im September, machte aber keine Angaben zum Kaufpreis.

Im Jahr 2020 übernahm Novartis bereits die Firma Vedere Bio, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt: Optogenetische Therapien sollen nicht die Ursache einer Augenerkrankung behandeln, sondern den Verlust der Sehfähigkeit durch die Erzeugung neuer Sinneszellen kompensieren. Der Transfer eines lichtempfindlichen Moleküls kann theoretisch jede beliebige Zelle der Netzhaut in eine Sinneszelle verwandeln. Die vollständige Sehfähigkeit werden derartige Ansätze aber vermutlich nicht wieder herstellen.

Methoden

RNA-Genschere: Klein genug für Genfähren

Nature Biotechnology

Eine neue Variante der CRISPR-Genschere verändert RNA-Moleküle und ist nur halb so groß wie andere Mitglieder dieser Enzymfamilie. Die Variante mit Namen Cas13bt passt damit in eine gängige Genfähre. Die Manipulation von RNA-Molekülen kann sinnvoll sein, wenn DNA-Sequenzen für Genscheren schwer zugänglich sind oder die Wirkung zeitlich begrenzt sein soll. Die Arbeit von Forschern am US-amerikanischen Broad Institut erschien im August in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology.

Die Forscher untersuchten tausende Versionen von ähnlichen Genscheren, bevor sie auf die neue Variante stießen. Cas13bt ermöglicht kleinere Versionen von bereits existierenden Methoden, die RNA-Molekülen gezielt manipulieren: Die Systeme REPAIR und RESCUE tauschen einzelne RNA-Basen aus und verändern den Informationsgehalt von Botenmoleküle. Mit Cas13bt können beide Systeme über AAV-Genfähren in Zellen eingeschleust werden, die Wirkung bleibt dabei vollständig erhalten.

 
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