Dezember 2022
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Genschere ermöglicht personalisierte Krebstherapie

Deutsches Ärzteblatt

US-Forscher nutzten die Genschere CRISPR/Cas, um Immunzellen gegen individuelle Krebsmarker zu erzeugen. Im Körper von 16 Patienten reicherten sich die veränderten Immunzellen in soliden Tumoren an. Der medizinische Nutzen war gering, das sich das Krebswachstum kaum verlangsamte. Wissenschaftlich gilt die Studie dennoch als Erfolg: Sie eröffnet einen neuen Weg der personalisierten Krebstherapie. Die kalifornische Firma PACT Pharma veröffentlichte diese Ergebnisse im November im Fachjournal Nature.

Die Therapie war allerdings sehr arbeitsintensiv. Zuerst suchten die Forscher im Tumorgenom nach neuen Krebsmarkern, sogenannten Neoantigenen. Als zweites isolierten sie aus dem Körper der Patienten spezifische T-Zellen, die diese Neoantigene erkennen. Als nächstes wurde der spezifische Immunrezeptor dieser Zellen in das Genom anderer T-Zellen eingeschleust. Schließlich wurden die veränderten Zellen im Labor vermehrt und den Patienten zurückgegeben. Im Mittel erforderte dieser Prozess eine Arbeitszeit von 167 Tagen.

CRISPR-Studie gegen Augenerkrankung enttäuscht

BioPharma Dive

Die weltweite erste CRISPR-Therapie innerhalb des Körpers, gestartet im Jahr 2020, ist nur begrenzt wirksam: Die Sehfähigkeit verbesserte sich bei der erblichen Augenerkrankung Lebersche kongenitale Amaurose 10 (LCA10) nur bei 3 von 14 Patienten. Es ist damit fraglich, ob diese Therapie kommerziell erfolgreich sein kann. Vorerst sollen keine weiteren Patienten behandelt werden, wie die US-Firma Editas Medicine im November bekannt gab.

Die Therapie behandelt eine Form der Erbkrankheit LCA10, die auf einer Mutation in dem Gen CEP290 beruht. Bei zwei der drei Patienten mit verbesserter Sehschärfe fand sich diese Mutation in beiden Genkopien des Erbguts. Diese homozygote Form von LCA10 ist jedoch eher selten, in den USA gibt es vermutlich nur etwa 300 Betroffene. Editas sucht nun einen Partner, der die Entwicklung der Therapie trotz der kleinen Patientenzahl unterstützt.

„N-of-1‟ CRISPR-Studie: Einziger Teilnehmer stirbt

Associated Press

Die Studie war dem 27-jährigen Terry Horgan auf den Leib geschnitten: Eine CRISPR/Cas-basierte Therapie sollte seinen Muskelschwund stoppen, im besten Fall sogar umkehren. Horgan litt an der erblichen Duchenne-Muskeldystrophie, deren Verlauf durch die Aktivierung des Dystrophin-Gens gelindert werden sollte. Er war der einzige Teilnehmer einer sogenannten „N-of-1‟-Studie. Die Organisation „Cure Rare Disease‟ gab kürzlich bekannt, dass Terry Horgan im Oktober verstorben ist.

Cure Rare Disease‟ wurde von Horgans Bruder gegründet, um seltene Krankheiten zu heilen. Die Organisation stellte die Finanzierung für mehrere Forschergruppen, deren neu entwickelter Therapieansatz von der US-Arzneimittelbehörde genehmigt wurde. Über die Details der Therapie ist bislang wenig bekannt. Zudem ist noch unklar, welche Rolle die Therapie bei dem Todesfall spielte. Die Suche nach der genauen Todesursache wird vermutlich noch mehrere Monate in Anspruch nehmen.

CAR-NK-Zellen gegen Lymphome

Endpoints

Die NK-Zellen des Immunsystems können ein künstliches CAR-Molekül nutzen, um gezielt gegen Non-Hodgkin-Lymphome vorzugehen. Bei 7 von 10 Patienten konnte eine hohe Dosis dieser CAR-NK-Zellen alle Krebszellen beseitigen. Die Nebenwirkungen blieben vergleichsweise mild. Bislang liegen allerdings nur Daten für die ersten Behandlungs-Monate vor: Es bleibt unklar, wie lange die Wirkung anhält. Diese Zwischenergebnisse gab die kalifornische Firma Nkarta im Dezember in einer Pressemitteilung bekannt.

CAR-Moleküle gegen den Krebsmarker CD19 werden bereits in T-Zellen eingesetzt. Nkarta hat diesen Ansatz auf NK-Zellen von fremden Spendern übertragen. Die aktuelle Studie erlaubt einen ersten Vergleich mit CAR-T-Zellen: Die Wirkung ist zumindest anfangs vergleichbar, die Nebenwirkungen der CAR-NK-Zellen waren aber deutlich geringer. Ein weiterer Vorteil ist, dass die kurzlebigen CAR-NK-Zellen wiederholt verabreicht werden können. Durchsetzen kann dieser Ansatz aber wohl nur, wenn er die Krebszellen auch langfristig zurückdrängt.

Forschung

Neues CRISPR-Tool: Drag-and-drop mit langen Sequenzen

Genetic Engineering & Biotechnology News

Eine neue Methode namens PASTE kombiniert CRISPR/Cas mit zwei weiteren Enzymen, um große DNA-Sequenzen zielgenau in das Erbgut einzufügen. US-Forschern gelang der Transfer von bis zu 36 000 DNA-Basen: PASTE ermöglicht damit erstmals den kompletten Austausch eines menschlichen Gens. Der Austausch erfolgt unabhängig von den Reparaturmechanismen der Zelle, die Erfolgsquote ist jedoch vergleichbar. Forscher vom MIT in Cambridge, USA haben diese Arbeit im November im Fachjournal Nature Biotechnology vorgestellt.

PASTE nutzt ein Fusionsprotein aus drei Enzymen: CRISPR/Cas erkennt die Zielsequenz, eine Reverse Transkriptase verhindert den DNA-Doppelstrangbruch und eine Integrase fügt die DNA-Sequenz ein. Die ersten Tests erfolgten in menschlichen Zellen und lebenden Mäusen. Medizinisch wäre ein Einsatz besonders bei Erbkrankheiten wie der Mukoviszidose sinnvoll: Diese Krankheit wird durch zahlreiche unterschiedliche Mutationen ausgelöst, die alle das gleiche Gen betreffen.

Gentherapie lindert epileptische Anfälle in Mäusen

Science

Eine künstliche Rückkopplung ermöglicht die zeitweise Hemmung aller Gehirnzellen, die an einem epileptischen Anfall beteiligt sind. In Mäusen konnte so die Zahl nachfolgender Anfälle deutlich verringert werden. Für diesen Ansatz wird ein hemmendes Protein mit einer besonderen Aktivierungs-Sequenz in das Gehirn eingebracht. Der Eingriff verändert das normale Verhalten der Mäuse nicht. Forscher vom University College London veröffentlichten diese Ergebnisse im November im Fachjournal Science.

Der Rückkopplungs-Mechanismus beruht auf der Beobachtung, dass eine erhöhte neuronale Aktivität das sogenannte Fos-Gen anschaltet. Die Forscher koppelten die Aktivierungs-Sequenz des Fos-Gens an einen Ionenkanal, der überaktive Nervenzellen hemmen kann. Die hemmende Wirkung entfaltet sich also vor allem in den Nervenzellen, die einen epileptischen Anfall erzeugen. Auf lange Sicht könnte dieser Ansatz nicht nur epileptische Anfälle lindern, sondern die Behandlung von Migräne, manchen Zwangsstörungen und frühen Stadien der Schizophrenie ermöglichen.

Wirtschaft

USA: Gentherapie gegen Hämophilie B zugelassen

Deutsches Ärzteblatt

Die US-Arzneimittelbehörde hat im November die Gentherapie Hemgenix für die Behandlung der Hämophilie B zugelassen. Hemgenix regt in Leberzellen die Produktion des fehlenden Gerinnungsfaktors IX an. In einer Studie mit 54 Patienten sank die Zahl der Blutungen um etwa die Hälfte, die meisten Teilnehmer konnten danach auf eine regelmäßige Prophylaxe verzichten.

Entwickelt wurde Hemgenix von der niederländischen Firma uniQure, die Vermarktung hat eine Tochter des australischen Konzerns CSL übernommen. In den USA soll eine einmalige Behandlung voraussichtlich 3,5 Millionen US-Dollar kosten. Eine Zulassung in Europa ist bereits beantragt und könnte in naher Zukunft erfolgen.

Medienspiegel

Millionen für eine Therapie – die neue Normalität?

Wired

„Teuerste Therapie der Welt‟ – diese zweifelhafte Auszeichnung gebührt seit kurzem der Gentherapie Hemgenix (s.o.). 3,5 Millionen US-Dollar soll eine einmalige Behandlung in den USA kosten. Emily Mullin geht im Online-Magazin Wired auf die Hintergründe ein. Und deutet an, dass derartige Kosten langfristig kaum tragbar sind.

 
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