August 2022
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Schonendes CRISPR-base editing gegen Herzkrankheit

Endpoints

Erstmals kam ein neues CRISPR-basiertes Verfahren am Menschen zum Einsatz: Das base editing tauscht gezielt einzelne DNA-Basen im Erbgut aus, ohne den DNA-Strang zu zerschneiden. Der erste behandelte Patient leidet an familiärer Hypercholesterinämie, der Eingriff soll den Blutspiegel von LDL-Cholesterin senken und Schutz vor Arteriosklerose bieten. Dies gab die US-Firma Verve Therapeutics im Juli bekannt.

Die angeborene familiäre Hypercholesterinämie ist eine relativ häufige Störung des Lipid-Stoffwechsels, die bereits im Kindesalter tödliche Herzinfarkte verursachen kann. Der CRISPR-basierte Eingriff soll das Stoffwechsel-Enzyms PCSK9 inaktivieren und den Abbau von LDL-Cholesterin fördern. Die Studie findet in Neuseeland statt und ist für 40 Patienten ausgelegt. Erste Ergebnisse werden im Jahr 2023 erwartet.

Gentherapie gegen Erblindung: Langzeitstudie bestätigt Wirksamkeit

GenSight Biologics

Mindestens fünf Jahre lang kann die Gentherapie Lumevoq das Fortschreiten der Leberschen Optikusatrophie aufhalten. Bei 55 Patienten einer Langzeitstudie verbesserte sich die Sehfähigkeit spürbar, um etwa 20 Buchstaben auf einer Sehtafel. Im unbehandelten Verlauf führt die seltene Erbkrankheit meist zur vollständigen Erblindung. Diese Ergebnisse berichtete die französische Firma GenSight Biologics im Juli in einer Pressemitteilung.

Verursacht wird die Lebersche Optikusatrophie durch ein defektes Stoffwechselenzym. Lumevoq nutzt eine AAV-Genfähre, um eine korrekte Kopie in das Auge einzuschleusen. Bereits vor Jahren offenbarte sich dabei ein unerwarteter Effekt: Die Injektion von Lumevoq Auge führt auch zu Verbesserungen im unbehandelten Auge – die korrekte Genkopie wandert vermutlich über den Sehnerv in das Gewebe ein. Eine Entscheidung über die Zulassung von Lumevoq in der Europäischen Union wird für Mitte 2023 erwartet.

Teilerfolg, aber auch starke Nebenwirkungen bei Huntington

Fierce Biotech

Eine Gentherapie gegen die Huntington-Krankheit war bei vier Patienten teilweise erfolgreich: Nach einem Jahr sank die Menge des Proteins Huntingtin um die Hälfte ab. Es bleibt jedoch unklar, ob dies auch den Verlauf der schweren neurologischen Erbkrankheit beeinflusst. Die Behandlung erfolgte mit einer niedrigen Dosis und löste nur geringe Nebenwirkungen aus. Entwickelt wird die Gentherapie von der niederländischen Firma uniQure, die im Juli eine Pressemitteilung mit den vorläufigen Daten veröffentlichte.

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung musste uniQure jedoch ein Rückschlag vermelden: 3 von 14 Patienten, die eine zehnfach höhere Dosis erhielten, mussten kurz nach der Behandlung ins Krankenhaus. Zu den Symptomen zählten erhöhter Hirndruck, Übelkeit und Erbrechen. Eine mögliche Ursache sind Immun- und Entzündungsreaktionen im Gehirn. uniQure hat weitere Behandlungen mit der hohen Dosis vorerst gestoppt.

Genschere hemmt ein Stoffwechselprotein

Fierce Biotech

Die Genschere CRISPR/Cas9 kann Leberzellen verändern und die Produktion eines defekten Proteins hemmen. Das zeigte eine Studie mit 12 Teilnehmern, die an der seltenen Transthyretin-Amyloidose (ATTR) litten. Bei dieser Erbkrankheit können Ablagerungen des Proteins Transthyretin die Funktion von Herz und Nerven stören. Die Gentherapie verringerte die Menge von Transthyretin im Blut um etwa 90 %, löste bei einem Patienten aber leichte Leberschäden aus. Die US-Firma Intellia Therapeutics testet nun auch eine geringere Dosis, wie sie im August mitteilte.

Noch bleibt unklar, ob der Eingriff auch die Symptome der Erkrankung lindert. Im Erfolgsfall konkurriert die Gentherapie mit drei weiteren Therapien, die bereits für ATTR zugelassen sind. Diese Therapien manipulieren RNA-Moleküle und müssen regelmäßig neu verabreicht werden. Intellia sieht sich hier im Vorteil – die Gentherapie erfordert nur einen einzigen Eingriff. Mit der US-Arzneimittelbehörde wird bereits über eine weiterführende Studie verhandelt, die direkt zur Zulassung führen könnte.

Anwendung

Gentherapie Zolgensma verursacht Todesfälle

BioPharma Dive

Zwei Kinder mit spinaler Muskelatrophie (SMA) verstarben nach der Behandlung mit Zolgensma an akutem Leberversagen. Die ersten Symptome traten fünf bis sechs Wochen nach der Infusion auf: Zu diesem Zeitpunkt wird gemäß Protokoll das Absetzen entzündungshemmender Steroide eingeleitet. Leberschäden sind eine bekannte, aber meist gut zu behandelnde Nebenwirkung von Zolgensma. Die Todesfälle ereigneten sich in Russland und Kasachstan, wie der Hersteller Novartis im August bekannt gab.

Die aufgetretenen Nebenwirkungen gehen vermutlich auf den Einsatz von AAV-Genfähren zurück, die bereits in anderen Studien mehrere Todesfälle ausgelöst hatten. Als Reaktion wird Novartis die Sicherheitsinformationen aktualisieren. Der Konzern sieht aber weiterhin ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis seiner Gentherapie: Es waren die ersten beiden Todesfälle bei insgesamt 2300 behandelten Kindern.

Wirtschaft

Duchenne Muskeldystrophie: Sarepta drängelt bei der Zulassung

Endpoints News

Die US-Firma Sarepta will bald einen Antrag auf Zulassung einer Gentherapie stellen – obwohl die entscheidende Phase-III-Studie nicht vor Oktober nächsten Jahres beendet sein wird. Eine kürzlich beendete Studie mit 20 Kindern, die unter der schweren Erbkrankheit Duchenne Muskeldystrophie (DMD) leiden, verlief jedoch erfolgreich. Laut Sarepta gibt es positive Signale der US-Arzneimittelbehörde FDA, die auf eine beschleunigte Zulassung hoffen lassen.

Die Gentherapie wurde bislang an insgesamt 80 Patienten getestet, die Wirkung hielt bis zu vier Jahre an. Sarepta hat bereits drei Antisense-Medikamente gegen DMD auf dem Markt – alle wurden in einem beschleunigten Verfahren zugelassen. Dabei müssen weitere Studiendaten nachgeliefert werden: Dieser Auflage ist Sarepta bislang aber in keinem Fall nachgekommen. Der Antrag auf Zulassung der Gentherapie soll spätestens im Oktober erfolgen, wie die Firma Ende Juli in einer Pressemitteilung verkündete.

Gentherapie gegen Hämophilie A vor Zulassung

Deutsches Ärzteblatt

Die Gentherapie Roctavian des US-Herstellers BioMarin steht kurz vor der Zulassung in der Europäischen Union. Roctavian verringert die Zahl der Blutungsepisoden bei der Erbkrankheit Hämophilie A um mehr als 80 %, teure Substitutionstherapien werden damit weitgehend überflüssig. Fraglich ist jedoch, wie lange die Wirkung anhält: Bislang liegen erst Beobachtungsdaten über längstens fünf Jahre vor. Im Juni haben Experten dennoch die Zulassung von Roctavian empfohlen, die endgültige Entscheidung der EU-Kommission wird vermutlich in den nächsten Monaten erfolgen.

Kostenspirale: Zynteglo soll 2,8 Millionen US-Dollar kosten

Fierce Pharma

Die US-Arzneimittelbehörde hat im August die Gentherapie Zynteglo zur Behandlung der Erbkrankheit ß-Thalassämie zugelassen. Nach der Behandlung kamen die meisten Betroffenen erstmals ohne regelmäßige Bluttransfusionen aus. Die Kosten in den USA belaufen sich voraussichtlich auf 2,8 Millionen US-Dollar. Die Zulassung könnte das Überleben des Herstellers Bluebird Bio sichern, den zuletzt schwere finanzielle Probleme plagten.

In der Europäischen Union erhielt Zynteglo bereits 2019 die Zulassung. Der Hersteller hatte in Europa einen deutlich niedrigeren Preis von 1,6 Millionen Euro verlangt, seine Vorstellungen jedoch nicht durchsetzen können und die Therapie daraufhin zurückgezogen. In den USA ist Zynteglo nun deutlich teurer als Zolgensma (2,2 Millionen €), das lange als teuerstes Medikament der Welt galt. Abgehängt werden beide jedoch von der Gentherapie Libmeldy: In Großbritannien liegt deren Listenpreis bei umgerechnet 3,3 Millionen €.

Medienspiegel

Epigenetic editing – die nächste Anwendung der Genscheren

BioPharma Dive

Neue Varianten von Genscheren müssen ein Gen nicht verändern, um dessen Wirkung zu beeinflussen. Stattdessen manipulieren sie die epigenetische Steuerelemente – wie mit einem Schalter kann die Aktivität des Gens an- oder ausgestellt werden.

Ben Fidler beschreibt im Online-Magazin BioPharma Dive die Grundlagen dieser Methode, epigenetic editing genannt. Und er stellt drei Start-Ups vor, die erste Ansätze in dieser Richtung entwickeln.

 
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